Privacy Magazine - Hauptseite Das Privacy Magazine "prima" wird vom Berliner Datenschutzbeauftragten zusammengestellt und herausgegeben. Die regelmäßigen - an Wochentagen täglichen - Ausgaben enthalten eine Übersicht von datenschutzrelevanten Berichten der (von uns) ausgewählten Berliner und überregionalen (deutschen) Presse.

 

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Ausgabe vom 23. Juli 1999

"Schwarze Sheriffs in der Grauzone
Private Sicherheitsdienste sorgen sich um das Image ihrer Branche
... Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte warnte in seinem jüngsten Tätigkeitsbericht vor den Problemen beim Umgang mit persönlichen Daten durch private Sicherheitsfirmen. Bereits 1995 hatte die SPD eine Gesetzesinitiative mit dem Ziel gestartet, die Befugnisse für die Schwarzen Sheriffs klar zu definieren. ... Doch geschehen ist bisher nichts." SZ 23.7.99 S. 1

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"Fahndungserfolg nach Gang an die Öffentlichkeit
Erstmals Photos von mißbrauchtem Kind im Fernsehen gezeigt
Familie des Opfers völlig überracht / Täter war Vertrauter der Eltern / Mädchen in Kinderzimmer Gewalt angetan
... Zum ersten Mal haben Polizei und Staatsanwaltschaft in Deutschland den Schritt gewagt, Bilder eines sexuell mißbrauchten Kindes aus dem Internet im Fernsehen zu veröffentlichen und das Opfer damit der Anonymität zu entreissen. Die Aktion hatte Erfolg: Durch Hinweise von Fernsehzuschauern wurde das Kind, ein zehnjähriges Mädchen ... identifiziert. ... da niemand das Opfer kannte, entschied sich die Staatsanwaltschaft, mehrere, unverfängliche Bilder des Kindes im Fernsehen zu veröffentlichen, um zunächst das Opfer zu finden - und möglicherweise danach den Täter. 'Wir hatten natürlich erhebliche Bauchschmerzen bei der Entscheidung. Was ist, wenn das Kind von Schulkameraden darauf angesprochen wird, wie reagiert die Familie', sagte Staatsanwalt Tilmann. ... Trotz ihres Erfolges in diesem Fall gehen die Fahnder sehr zurückhaltend mit der Veröffentlichung von Opferphotos um. 'Wir können nicht regelmäßig solche Kinder im Fernsehen zeigen', sagt Tilmann. 'Man sollte dabei immer im Blick haben, was man anrichten kann'." SZ 23.7.99 S.

Lokales

Hessen

"Das Auge erfaßt sie alle - Pendler, Rucksackreisende oder Taschendiebe
Kamera-Überwachung im Hauptbahnhof ist fast lückenlos: Allein im vergangenen Jahr gab es 4000 Hasuverbote
... Sobald der Verdacht eines Straße besteht, darf der Bundesgrenzschutz die Kamerabilder in einem gesonderten Raum aufzeichnen. ... Überwachung total? Der 'Große Bruder' sind wir wirklich nicht', beschwingt Bahnsprecher Jöckel, Aufzeichnen dürfte die Bahn nichts. ... Die Überwachung werde von vielen Reisenden geschätzt, sagt Jöckel. Senioren fühlten sich sicherer. Allein das Gefühl, beobachtet zu werden, führe bei manchen zu Verhaltensänderungen, so Jöckel. Die Mitarbeiter des Kontrollzentrums bemerken dies an sich selbst: 'Wenn ich ins Kaufhaus gehe, schaue ich immer erst mal: wo ist die Kamera?', sagt Rolf Thunich. Wer als Beobachter arbeitet, wird auch das Gefühl, beobachtet zu werden, schwer los. Oder weiß einfach, daß mittlerweile fast überall jemand zuschaut. ... Die Überwachungszentrale der Bahn am Frankfurter Hauptbahnhof: Hier laufen alle Bilder zusammen, die von den 108 Videokameras auf dem Bahngelände geliefert werden. ... Per Joystick lassen sich die Kameras drehen und die Bilder näher heranholen. Mit zwei Mausklicks können die Mitarbeiter jede beliebige Kamera aktivieren und in die verschiedenen Ebenen des Bahnhofs spähen. Die meisten Reisenden, die sich unter den verspiegelten Halbkugeln auf Rolltreppen, U-Bahnsteigen und Plätzen bewegen, merken von der Überwachung nichts. Manche erhoffen sich mehr Sicherheit, andere flüchten sich vor totaler Überwachung." FR 23.7.99 S. 22

"Der Zwang zur Kontrolle: 'Wer nichts macht, bei dem tummeln sich die Kriminellen'
Kameras sind überall im Einsatz, und der Datenschutzbeauftragte muß hilflos zusehen, wie alle Welt zusieht / Lückenlose Sicherheit gibt es dennoch nicht
... 14 Beschäftigte des Jüdischen Altenheims in Frankfurt verloren so im vergangenen Jahr ihren Arbeitsplatz. Hinter dem Spiegel des Speisesaals zeichnete die Kamera auf, daß die Pflegehelferinnen nicht mehr hellwach waren. Angeblich wollte die Heimleitung mit den Aufnahmen dem Vorwurf nachgehen, alte Leute würden dort geschlagen. Nachts im Speisesaal? ... die Erlaubnis für eine Kamera an dem zum Bahnhof gelegenen Ende der Kaiserstraße ist erteilt. In Frankfurt wird der Kaisersack zum Präzedenzfall: Das erste Mal, daß Sicherheitskräfte einen öffentlichen Raum ausleuchten dürfen, um Straftaten zu verhindern. Der hessische Datenschutzbeauftragte hat unter der Bedingung zugestimmt, daß keine Aufzeichnungen gemacht werden, sagt Ulrike Müller. Sie verkündet als Sprecherin des Datenschutzbeauftragten, wie machtlos er in Sachen Videoüberwachung ist: Er muß zusehen, wie alle Welt zusieht. Was in Kaufhäusern, Bahnhöfen oder vor Villeneingängen passiert, geht die Hüter der Daten nichts an. In einem Papier des Landtags zur Videoüberwachung heißt es: 'Sicherlich erfüllen all diese Einrichtungen auch einen sinnvollen Zweck. Sie dürfen aber nicht dazu dienen, daß jeder Schritt des Bürgers anhand der Aufnahmen aufgezeichnet wird und nachvollziehbar ist.' Müller spricht von einer 'Gesetzeslücke'. Nach derzeitigem Recht gelten Videodaten selten als 'Dateien' - die Datenschützer dürfen nicht eingreifen. ... überwacht der private Sicherheitsdienst All-Service 100 Kameras in Frankfurt, die auf Firmenparkplätzen, an Hafenbecken, vor Eingängen oder in Büros hängen. ... städtische Verkehrsüberwachung ... Können sie auch Nummernschilder heranzoomen? Hat nicht die Polizei Interesse angemeldet, gelegentlich durch die Kameras zu schauen? ... der stellvertretende Leiter der Straßenverkehrsbehörde, Gert Stahnke, ... 'Was wollen Sie uns da unterstellen', ruft er. 'Bei uns waren noch nie Ermittler.' Mißtrauisch geworden, bleibt Stahnke nun bei der Frage nach den technischen Möglichkeiten der Kameras vage: 'Was technisch möglich ist, können Sie ja bei Orwell nachlesen'. ... die Stadtwerke Verkehrsgesellschaft, 'auch mal Amtshilfe leistet'. 'Zum Beispiel, wenn die Polizei fragt, in welche Richtung sich eine Demo bewegt.' Sonst überwachen die Kameras in U-Bahnhöfen nur den Fahrbetrieb. Es gehe nicht um die Sicherheit der Kunden. Die Zentrale sei nicht ständig besetzt." FR 23.7.99 S. 22

Kommentar
"Diffuses Bild
Längst ist die Überwachung weiter Teile der Stadt Realität. In Kaufhäusern und Banken, auf Bahnhöfen, Vorplätzen und im Straßenverkehr - überall richten sich Kameralinsen auf die Bürger. Oft zu ihrer eigenen Sicherheit - aber nicht immer. Wer genau welches Bild wie lange aufzeichnet und an wen die Daten eventuell weitergegeben werden, ist unklar, weil die Überwachung den Überwachten nur selten bewußt ist und weil eine Diskussion über das 'Ende des Privaten' erst beginnt. ... Im englischen Newham überwachen 250 Kameras jeden Winkel. Studien warnen bereits, die Kriminalität werde dadurch nur verlagert. Meistens gerieten Schwarze, Obdachlose und - wegen des Voyeurismus der meist mämmlichen Beobachter - Frauen ins Visier. Darüber muß auch hier öffentlich debattiert werden, bevor noch mehr Kameras laufen." FR 23.7.99 S. 21